Selbstsicherheitstraining für Mädchen

 

Die Mädchen, Jahrgang 8, des ersten Durchgangs „Selbstsicherheitstraining“

 

Teilprojekt: Selbstsicherheitstraining für Mädchen

Das Selbstsicherheitstraining für Mädchen soll diese befähigen, sich durch Aufklärung, selbstbewusstes Auftreten und das Wissen: “Ich kann mich wehren“ vor sexuellen Übergriffen schützen zu können. Das Selbstsicherheitstraining dient der Vorbeugung (nicht der Therapie) und soll verhindern, dass Mädchen Opfer sexueller Gewalt werden.
Die Selbstsicherheitstrainings werden an folgenden weiterführenden Schulen im Oberbergischen Kreis durchgeführt: Schulen für Lernbehinderte, Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen, Gymnasien und Berufsschulen. Ziel ist es, die Trainings flächendeckend einzuführen. Überwiegend werden die Trainings in den Klassen 8, 9 und 10 für Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren angeboten.

Das Konzept

Das Konzept des Selbstsicherheitstrainings setzt sich aus sechs Bausteinen zusammen und orientiert sich am Tatverlauf. In jeder Phase des Tatverlaufs bieten sich dem Opfer Möglichkeiten, die Situation zu beenden.
Die Methoden der Vermittlung wechseln zwischen Vortrag, Diskussion, praktischen Übungen, Spielen, Arbeiten mit Papieren, Medien und pädagogischem Rollenspiel.

Tatverlauf  Selbstsicherheitstraining 

 1.:

Überfall wird geplant

Aufklärung über sexuelle Gewalt; Erkennen drohender Gewaltsituationen: Die Mädchen werden über kriminologische Hintergründe informiert.      Täter-Opfer: Sie erhalten Informationen über bedrohliche Gewaltsituationen und Tatverlauf, über Täter und darüber, wie sie es verhindern können als Opfer gewählt zu werden.
(Trainerin, Kommissariat Vorbeugung)

 2.:

Täter sucht Opfer

Selbstsicheres Auftreten; Ursprungsfamilie, Geschlechterrollen: Selbstsichere Verhaltensweisen und selbstsichere Körpersprache verhindern, dass ein Mädchen als Opfer ausgewählt wird. Erarbeiten eines deutlichen und eindeutigen Auftretens (Übereinstimmung von Wortsprache und non-verbalen Signalen), um unangenehme Situationen zu vermeiden oder abzubrechen.
(Trainerin)

 3.:

Verbaler Angriff

Selbstsichere Aussagen; Kommunikationsverhalten: In den Trainings wird im Pädagogischen Rollenspiel das „Neinsagen“ geprobt. Die Mädchen können verschiedene Verhaltensweisen ausprobieren, wie sie mit einem Angriff umgehen wollen.
(Trainerin)

 4.:

Täter greift an

Stressreaktionen; Umgang mit Angriffsschock: Schock, Schockreaktionen und die Verkürzung der Schockphase werden bearbeitet. Angst und Stress sind hier positiv besetzt. Angst, als Auslöser von Stress, setzt Energien frei, um sich zu wehren. Der Einsatz der Stimme, der Wort- und Körpersprache und schnelle Reaktionen werden eingeübt.
(Trainerin)
 5.: Körperlicher Angriff Selbstverteidigungsstrategien; Umgang mit Gewaltsituationen: Die Mädchen erlernen Abwehr- und Selbstverteid-gungsstrategien. Es werden einfache Techniken zusammen mit den Mädchen entwickelt, die sich an den physischen Möglichkeiten jeder Einzelnen orientieren. Körperbewusstsein und Selbstwertgefühl gehören hier eng zusammen.
(Trainerin) 

 6.:

Nach der Tat

Aufklärung über Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung; Hilfe, Rechte, Anzeige, Gesetze: Die Mädchen erhalten Informationen über das Recht auf Hilfe, Schuld, Scham, Hilfe von der Freundin, der Polizei, Ärztin, Anwältin und Familie. Sie werden aufgeklärt über Gesetze, Therapien und Hilfsorganisationen in ihrer Nähe.
(Wenn zeitlich zur Verfügung: Kommissariat Vorbeugung)

 

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der zeitlichen Strukturierung für die Vermittlung der Inhalte.

  1. Die Umsetzung kann in einem Kompaktkurs von 3-4 Tagen erfolgen. In dieser Zeit findet für den betreffenden Jahrgang kein Unterricht nach Stundenplan, sondern ausschließlich das Training statt. Das ist sinnvoll, wenn gleichzeitig das Konflikttraining für Jungen an der Schule unterrichtet wird.
  2. Es kann als wöchentlicher Kurs mit 10 bis 12 Doppelstunden unterrichtet werden und findet in Form einer Arbeitsgemeinschaft statt.

 

Die Umsetzung des Konzepts an der Hermann-Voss-Realschule Wipperfürth

An der Hermann-Voss-Realschule Wipperfürth nehmen seit Beginn des Schuljahres 2007/2008 alle Mädchen des 8. Jahrgangs an dem Selbstsicherheitstraining teil. Die Mädchen werden in Gruppen aufgeteilt, sodass jeder Kurs aus höchstens 15 Mädchen besteht. Das Training findet zweistündig über mehrere Wochen statt.
Das Training wird von einer Lehrerin, welche als Trainerin ausgebildet ist, geleitet. Der Ablauf richtet sich nach dem Konzept (siehe 2.1). Einen Teil des  Bausteins 6 übernimmt, wenn zeitlich einplanbar und möglich, eine ausgebildete Fachkraft der Kreispolizeibehörde.

Seit 2011 gibt es auch die emanzipatorischen Jugendarbeit nach dem Konzept des Konflikttrainings für Jungen. Auch Jungen sollen befähigt werden, männliche Werte und Normen zu reflektieren und so in eine Männerrolle hineinwachsen, die sich durch sozial verträgliche Verhaltensweisen ausweist.

 

Evaluation

Das Selbstsicherheitstraining wird seit 2007 an unserer Schule durchgeführt. In den Feedbackrunden, die zu jeder Einheit gehören, äußern sich die Mädchen sehr positiv zu dem Training. Es mache ihnen Spaß, Schule einmal in einem anderen Rahmen zu erleben und nur unter sich (ohne Jungen) zu sein. Sie finden die Einheiten abwechslungsreich und informativ und sie teilten uns mit, dass es ihnen gut tue, über ihre Ängste im Zusammenhang mit Grenzüberschreitungen des anderen Geschlechts zu sprechen und zu reflektieren.

Feedback

Im Folgenden gebe ich eine Zusammenfassung der schriftlichen Rückmeldungen der Mädchen:

Das hat mir gut gefallen
  • der ständig wiederkehrende Automatisierungskreis  (Selbstverteidigungstechniken)
  • über eigene Erfahrungen sprechen
  • Rollenspiele
  • die Einheit mit dem Kripobeamten
  • Übungen zum Neinsagen
  • „Schreiübungen“
  • die gute Atmosphäre im Kurs
  • dass ich mich stärker und selbstbewusster fühle
Das hat mir gefehlt
  • noch mehr Befreiungstechniken
  • gar nichts
Besonders wichtig war mir
  • dass der Polizist anhand von Beispielen richtiges Verhalten verdeutlicht hat
  • die Befreiungsmethoden so gut kennenzulernen

 

Zusammenfassung

Ebenso wie bei den landesweiten Evaluationsergebnissen des Selbstsicherheitstrainings schätzen sich alle Teilnehmerinnen nach dem Training als selbstsicherer ein. Auch sind sie der Überzeugung, durch ihr neu erworbenes Wissen zur Körpersprache, die in vielen Rollenspielen erprobt und analysiert wurde, unangenehme Situationen besser meistern zu können bzw. nicht mehr in solche hineinzugeraten. Das Üben der Selbstverteidigungstechniken gibt allen Mädchen eine viel größere Sicherheit. Während sie sich den Jungen vorher körperlich unterlegen fühlten, wandelte sich diese Einstellung durch das Erlernte.